Nasma Albatah kam vor 3,5 Jahren aus Syrien über die Türkei nach Hamburg. Nach ihrer mittleren Reife wollte sie eigentlich eine Ausbildung machen, landete dann aber über Umwege beim FSJ. Ein Glücksfall, wie sich herausstellte.
Frau Albatah, wieso machen Sie ein Freiwilliges Soziales Jahr?
Das ist eine ganz tolle Geschichte: Ich wollte eigentlich Kosmetikerin werden, aber ich habe keinen Ausbildungsplatz bekommen. Meine Beratungslehrerin hat vorgeschlagen, dass ich ein FSJ mache. Das wollte ich aber auf keinen Fall. Ich komme ja aus Syrien, ich wusste einfach gar nicht, was das ist. Weil die Lehrerin nicht locker gelassen hat, habe ich mich dann doch für einen Probetag beworben.
Wie haben Sie das Max Brauer Haus gefunden?
Ich hatte eine Liste der ijgd und schon am Telefon war die Chefin, Frau Baumotte, gleich so nett zu mir. Der Probetag war dann auch ganz toll. Wegen einer Veranstaltung konnte ich fast alle Bewohner kennenlernen. Ich habe mich so wohlgefühlt hier. Ich hatte in der Schule nie so richtig nette deutsche Leute kennengelernt wie hier. Also habe ich für das FSJ unterschrieben. Dann kam doch noch die Zusage für eine Ausbildungsstelle als Kosmetikerin. Aber die habe ich abgesagt. Für mich hat sich so viel geändert durch das FSJ.
Was genau hat sich geändert?
Am Anfang in Deutschland hatte ich so viele Schwierigkeiten in der Schule. Ich wurde als Flüchtling behandelt , es wurden nicht so nette Dinge gesagt. Auch meinen zwei Geschwistern. Das war ein bisschen schlimm für uns. Ich habe zu meinen Eltern gesagt: Wenn ich 18 bin, dann gehe ich woanders hin. Das hat sich durch das FSJ alles geändert. Alle waren so nett. Und bei den FSJ-Seminaren habe ich so richtig nette Jugendliche kennengelernt, die sind heute meine allerbesten Freundinnen. Wir treffen uns immer. Jetzt bin ich 18 und will in Deutschland bleiben.
Wie ist Ihr Arbeitsalltag hier im Max Brauer Haus?
Vor Corona hatte wir jeden Tag Veranstaltungen . Bingo, Gymnastik, Yoga… In meinen ersten zwei Wochen habe ich alles mitgemacht, damit ich alle Bewohner kennenlernen kann. Danach habe ich dann die Veranstaltungen mit vorbereitet, aufgebaut und so. Nach und nach kamen immer mehr Aufgaben dazu. Dann kam Corona und seitdem haben wir immer noch Veranstaltungen. Aber wir müssen viel desinfizieren und sauber machen, auf Abstand achten, an die Maskenpflicht erinnern, Teilnehmerlisten führen, Briefe für die Bewohner einwerfen und alles.
Macht Ihnen das alles Spaß?
Ja. Sehr.
Wie ist das Team?
Alle sind so nett und toll zu mir! Das sind keine Kollegen von mir, das ist freundschaftlich. Sie helfen mir auch, wenn ich Fragen habe, wie man was in Deutschland macht. Und sie haben mir viel gezeigt und beigebracht im Haus.
Wie haben die Bewohner auf Sie reagiert?
Die sind auch richtig toll. Freundlich, nett und lieb. Manchmal wollen sie keine Maske tragen, dann sind sie nicht so nett wenn man sie anspricht. Aber das kann ich verstehen.
Was machen Sie am liebsten hier?
Menschen helfen. Wenn sie fragen: Wo kann ich meinen Rollator reparieren? Dann suche ich das für sie raus. Dass ich richtig helfen kann, das finde ich toll.
Was ist nicht so toll?
Seit Corona das ständige desinfizieren und auf Abstand achten, das macht natürlich nicht so viel Spaß.
Was braucht man, um ein FSJ hier zu machen. Was würden Sie anderen raten?
Man muss offen sein, freundlich und fröhlich. Man muss auch viel reden können, nicht nur eine kurze Antwort auf eine Frage geben. Man muss Lust haben, mit alten Menschen zu arbeiten. Sie sind nicht immer nur nett und freundlich. Sie sind alt. Damit muss man umgehen.
Wenn Sie zurückblicken, wie war die Zeit hier bislang?
Das FSJ hat mir geholfen, die gute Seite von Deutschland zu sehen. Nicht nur die Seite mit Vorurteilen gegenüber Flüchtlingen. Das hat mich verändert.
Das Interview führten wir im September 2020.