Für fast alle Menschen gehört die Nutzung des Internets zum Alltag - sowohl beruflich wie auch im privaten Bereich. Das Internet hat vieles einfacher gemacht, bietet eine unschätz-bare Fülle von Informationen und verbindet Menschen weltweit. Gerade auch in Zeiten der Corona-Epidemie schätzen wir die Möglichkeiten des Internets. Wir sehen unsere Kolleginnen und Kollegen, Freunde und Freundinnen und Familien über Videokonferenzen, bestellen oder informieren uns online. Das Internet bietet uns ebenfalls Abwechslung und Zeitvertreib. Wir streamen Filme und Musik, sehen uns Comedy, Dokumentationen, Konzerte oder Tutorials zu fast jedem Thema bei YouTube an, nutzen Computerspiele, treffen uns in sozialen Netzwerken wie Instagram, Facebook oder WhatsApp, shoppen aus dem Wohnzimmer oder konsumieren erotische Inhalte. So weit, so gut.
Wo ist das Problem?
Die schönen Erlebnisse im Internet reizen dazu, sich in diesen Aktivitäten zu verlieren. Das betrifft nicht jeden, aber einen Teil der Menschen. Das Internet, das wir über das Smartphone, Tablets, Computer oder andere Geräte zur Verfügung haben, bietet rasche Belohnungen - z.B. ein spannendes Computerspiel, das einen in eine andere Welt entfliehen lässt, oder das gute Gefühl, wenn anderen meine geposteten Inhalte in sozialen Netzwerken gefallen und man immer mehr Online-Freunde und -Freundinnen gewinnt. Diese guten Gefühle können so bedeutsam werden, dass das eigentliche Leben in den Hintergrund gerät. Wir erreichen viel schneller ein gutes Gefühl als bei anderen Aktivitäten, die mehr Mühe erfordern. Das hat zwei mögliche Konsequenzen: 1. Die Internetnutzung verhindert andere, vielleicht viel nachhaltigere Erfahrungen. 2. Die Internetnutzung wird so bedeutsam, dass sie wichtiger wird als das reale Leben. Dazu kann gehören, dass man die Kontrolle darüber verliert, wie oft und wie lange man im Internet unterwegs ist, oder dass man sein Verhalten auch dann nicht ändert, wenn man feststellt, dass sich daraus negative Konsequenzen ergeben. Das kann sich dadurch zeigen, dass wir Freundschaften, Aktivitäten oder Hobbys vernachlässigen oder weniger leistungsfähig in Ausbildung oder Beruf sind. Im schlimmsten Fall ist die Bewältigung des Alltags beeinträchtigt. In diesem Fall kann es sich um eine „Internetbezogene Störung“ oder auch „Internetnutzungsstörung“ handeln. Manche nennen das auch Internetsucht. Die Übergänge von gesunder zu problematischer oder auch suchtartiger Nutzung sind fließend und entstehen oft unbemerkt.
Wie kann man vorbeugen oder helfen?
Die Nutzung des Internets ist privat und spielt sich im jeweiligen Leben der Menschen - also im Verborgenen - ab. Um mögliche ungünstige Entwicklungen zu beeinflussen, ist es wichtig, die Betroffenen zu erreichen und anzusprechen. Das macht man am besten dort, wo man viele Menschen erreichen kann, wie z.B. in Schulen. Das SCAVIS Projekt nutzt dafür den Arbeitsplatz. Hier wollen wir den Mitarbeiter*innen die Möglichkeit bieten, ihre eigene Internetnutzung zu verfolgen. Dafür haben wir die einfach zu benutzende smart@net-App entwickelt, mit der man prüfen kann, ob mit der eigenen Internetnutzung alles im „grünen“ Bereich ist, oder ob man vielleicht gefährdet ist.
Was bietet SCAVIS?
Nach der Prüfung des eigenen Verhaltens im Zusammenhang mit dem Internet werden verschiedene Angebote zur Verfügung gestellt. Haben die Teilnehmenden leichte Auffälligkeiten, so bietet die App einen Überblick über das eigene Verhalten und Anregungen zu möglichen Änderungen des Verhaltens an. Sowohl Aufzeichnungen der Smartphone-Nutzung als auch Erhebungen zu Themen wie Erwartungen an die eigene Internetnutzung, Sorge etwas zu verpassen oder Motivation das Verhalten zu ändern werden genutzt, um individuelle Rückmeldungen zu geben. Eine solche Rückmeldung kann dabei unterstützen, das Verhalten zu ändern. Bei Bedarf werden auch telefonische Beratungen oder eine Online-Therapie zur Verfügung gestellt. Alle Angebote sind kostenfrei.
Allen, die keine auffällige Internetnutzung aufweisen, werden Angebote bereitgestellt, sich zu informieren und einer Entwicklung problematischer Nutzung entgegen zu wirken.
Wie überprüfen wir die Wirksamkeit von SCAVIS?
Zunächst einmal wollen wir sehr viele Menschen in die Studie aufnehmen, um zuverlässige Aussagen zur Wirksamkeit machen zu können. Geplant sind mindestens 24.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die wir in Betrieben und über verschiedene Medien suchen. Danach erfolgt eine Prüfung, ob die teilnehmende Person eine eher problematische Nutzung des Internets hat. Die Hälfte der Personen, auf die das zutrifft, wird per Zufall unsere individuellen Hilfen erhalten, die andere Hälfte kann sich über Internetnutzung informieren, bekommt aber keine individuellen Rückmeldungen und Hilfen. Eine Nachuntersuchung nach 6 Monaten ist vorgesehen und ermöglicht uns dann zu überprüfen, ob SCAVIS wirksam ist.
Wer ist SCAVIS?
Das SCAVIS Projekt wird gefördert vom Innovationsfonds und umfasst eine große Gruppe von Beteiligten und Wissenschaftler*innen unter Mitwirkung des Dachverbands der BKK und einzelner Betriebskrankenkassen. Die Führung dieses Projektes liegt bei der CONVEMA Versorgungsmanagement GmbH. Wissenschaftlich wird die Studie geleitet von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Lübeck mit Beteiligung des Zentrums für Klinische Studien und des Instituts für Medizinische Biometrie und Statistik in Lübeck. Zu den zentralen Kooperationspartnern gehören die Abteilung Molekulare Psychologie am Institut für Psychologie und Pädagogik der Universität Ulm, die Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Mainz, start: Psychotherapie & Coaching in Berlin und der Media Protect e.V.
Kontakt: hans-juergen.rumpf@uksh.de