Das Böse mit Gutem überwinden - eine Abschiedsrede aus 2023

Adonai, liebe Leute. Adonai.

Hier im Hansenbarg nennt man ihn gerne den kleinen Fiesling.
Ich hatte damit vom ersten Tag an echte Probleme. Und habe das auch heute noch.

In mir wohnt kein kleiner Fiesling, sondern ein Dämon.

Ich habe 27 Jahre lang täglich Drogen konsumiert.
Seit einem halben Jahr bzw. dem sechsten Geburtstag meiner ältesten Tochter habe ich keine Rauschmittel mehr konsumiert.

Der Dämon hatte mich jahrelang unter seiner Kontrolle.
Er hat mich konsumieren lassen und Dinge tun lassen, die ich nüchtern niemals getan hätte.

Und der Dämon wird immer in mir bleiben.
Ich kenne sein Lächeln und ich sehe und fühle es nur allzu oft.
Dieser kleine scheiß Wichser ist in mir und er wartet auf seine Chance.
Er hat alle Zeit dieser Welt, er ist geduldig und mächtig.

Und er weiß genau: Es werden die Momente kommen.
Es werden die Momente kommen an denen ich schwach bin, an denen ich in Versuchung gerate.
Er wartet nur darauf, dass ich am Boden liege, hoffnungslos, kraftlos, traurig, perspektivlos.

Und er wird mir die Hand reichen, mich anlächeln und mir versprechen, dass ich alles vergesse und alle Sorgen los bin.
Er wird mir in meinen dunkelsten, schlimmsten Momenten Hilfe anbieten und mir das Paradies auf Erden versprechen. Ich muss nur zugreifen.
Mit einem Lächeln im Gesicht breitet er es vor mir aus.
Und die Versuchung zuzugreifen wird groß sein.

Ich weiß, dass dieser Dämon ein Teil von mir geworden ist.
Ich weiß aber auch, dass ich krank bin. Und ich weiß auch, dass ich ein Herz habe.
Und ich weiß was ich wirklich will.

Trotzdem wäre ich nicht ehrlich, wenn ich nicht zugeben würde, dass da etwas in mir ist, dass ich nur schwer kontrollieren kann.
Ich würde mich selbst belügen, wenn ich hier rausgehen würde und sagen würde, ich bleibe abstinent. Ganz sicher. Ich werde nicht mehr konsumieren.

50, 60, 70 Prozent Rückfallquote. Je nachdem wie man die Statistiken liest.
Ich schaue in den Raum hier und es macht mich traurig.
Es macht mich traurig, dass es mehr als die Hälfte von uns nicht schaffen werden, nüchtern zu bleiben. Und die allermeisten von uns wollen es eigentlich.

Was ist das? Was ist das für eine Krankheit?
Was ist das für eine Sucht? Was ist das für eine Macht?
Was ist das, was da in uns ist, lebt, schlummert und nur darauf wartet, dass wir einen schwachen Moment haben? Was ist das?

Für mich ist das kein kleiner Fiesling. Für mich ist das ein Dämon.
Da ist etwas in mir, dass sich im Laufe des Lebens in mir ausgebreitet hat, die Kontrolle über mich übernommen hat, dass ich gerne wieder loswerden würde.
Es aber nie wieder loswerde.
Ich werde mein gesamtes Leben mit meinem Dämon in mir leben müssen.
Und weiter lernen müssen meinen Dämon zu kontrollieren. Und nicht andersrum.

Ich werde mich jeden Tag wieder neu entscheiden müssen:
Liebe oder Dämon?
Leben oder Krankheit?
Freiheit oder Konsum?

In meinem Leben haben folgende Menschen folgendes zu mir gesagt, was mir bis heute in Erinnerung geblieben ist und mein Leben im positiven Sinne geprägt hat:

Em., 8 Jahre alt, hat folgendes gesagt: Gott ist barfuß und sie trägt ein blaues Kleid.

El., 10 Jahre alt: Auch wenn du mal nicht an Gott glauben kannst, Gott glaubt an dich.

Mein Suchttherapeut, Mitte 30:

Er hat mir folgendes erzählt:

Ein Käfig, geteilt in zwei Hälften. In der Mitte auf dem Boden eine Metallplatte.
Die Platte wurde unter Starkstrom gesetzt.
Die Ratte auf der einen Seite des Käfigs. Auf der anderen Seite das Futter.
Die Schmerzen vom Strom waren so groß, dass die Ratten nicht über die Metallplatte gehen konnten. Sie sind verhungert.

Gleicher Versuchsaufbau.
Auf der einen Seite eine Ratte, die man zuvor alkoholabhängig gemacht hat.
Auf der anderen Seite der Metallplatte kein Futter, sondern dieses mal Alkohol.
Jede Ratte ist unter größten Schmerzen über die Metallplatte gelaufen um zum Stoff zu kommen.

Verhungern, ja. Nüchtern bleiben, nein.

Wenn du sprichst und sagst: Ich kann es doch mal probieren.
Ja, vielleicht kann ich es kontrollieren.
Dann sprichst da nicht du. Dann spricht da bereits der Dämon aus dir.
Das bist nicht du.

In dem Sinne wünsche ich dir und mir und uns allen hier, dass was der, wie ich finde, größte Philosoph unseres Abendlandes, Paulus, allen Menschen gewünscht hat:

Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

In dem Sinne, liebe Leute,
ich danke allen hier Anwesenden für die tolle Zeit und für die echte Hilfe und umfangreiche Behandlung, die ich hier gekriegt habe.
Trotzdem wünsche ich mir und jedem Patienten hier, dass es das letzte Mal in unseren Leben Hansenbarg als Patient war und wir uns alle nur als Gäste beim Sommerfest wiedersehen.

Und bis dahin: Tschüss und Adonai.

 

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