Ein Brief an meinen Freund "Hansi Barg"

Eine Abschiedsrede aus dem Herbst 2023

Lieber Hansi…

Ich habe lange nichts von Dir gehört… Und auch ich habe mich schon lange nicht mehr bei Dir gemeldet. Bei mir hat sich so einiges getan. Mein Mann hat mich im Mai vergangenen Jahres verlassen. M., meine jüngste Tochter und ich müssen aus unserer gemeinsamen Wohnung ausziehen, weswegen ich meinen Job als Schulbegleitung gekündigt habe, um mir wieder eine Vollzeitstelle zu suchen, damit wir über die Runden kommen. Bisher leider ohne Erfolg. Und zu guter Letzt habe ich im März dann auch noch meinen Führerschein verloren…. All das begleitet von viel, viel zu viel Alkohol. Du siehst… es lief blendend. Die Situation hat mir derart den Boden unter den Füßen weggezogen, dass ich in ein so tiefes Loch gefallen bin und irgendwann merkte, dass ich da alleine nicht mehr rauskommen würde. Für mich stand fest: “Niemals, wirklich niemals mehr würde ich Liebe, Lebensfreude oder Glück empfinden können…” In mir war alles nur noch geprägt von unbeschreiblicher Trauer, Wut und Pessimismus… Der Versuch das alles mit Alkohol ”weg zu spülen” scheiterte kläglich. Im Gegenteil. Es machte alles nur noch schlimmer. Glücklicherweise war ich noch so weit bei Verstand, mir einzugestehen, dass ich Hilfe brauche und entschied mich dazu, mich auf eine Langzeit-Therapie einzulassen.  Und da bin ich nun… In der Reha-Klinik Hansenbarg. Noch heute frage ich mich, warum ich mich nicht schon früher dazu entschieden habe, diesen Weg zu gehen.

Aber eigentlich kenne ich die Antwort doch ganz genau. Die Erkenntnis darüber, dass es so nicht mehr weiter gehen konnte, war ja schon lange da. Doch immer wieder drängten sich die Argumente in den Vordergrund, wie: “Das geht ja gar nicht! Was ist mit M.? Mit ihrer Schule? Was mit Oskar, meinem Hund, den Katzen, dem ganzen Haushalt, meiner Arbeit (bis vor kurzem hatte ich ja noch meinen Job)...? Und dann war da natürlich noch die Angst, vor dem, was auf mich zukommt. Ganz abgesehen von der Scham… Was werden die Freunde, die Familie, die Nachbarn, eigentlich das ganze Dorf wohl von mir denken?”  Gott sei Dank habe ich diesen Schritt dann, trotz aller Sorgen dennoch gemacht. Und weiß heute, dass ich in DIESER Hinsicht wirklich mal alles richtig gemacht habe.

Seit dem 30. Mai bin ich nun hier. Knappe 17 Wochen. Wenn ich abreise, am 02. Oktober sind es dann ganz genau 18 Wochen und ich möchte nicht einen einzigen Tag dieser Zeit missen. Von Anfang an war ich überwältigt, mit wie viel Empathie, Freundlichkeit und Herz ich hier empfangen wurde. Sowohl vom gesamten Klinikpersonal, sowie von den anderen Patienten. Ich habe mich niemals fremd, sondern im Gegenteil, irgendwie zuhause und angekommen gefühlt. Mit meinem Bezugstherapeuten war ich sofort auf einer Wellenlänge. Bei ihm fühlte ich mich immer wohl und verstanden. Das ein oder andere Mal musste er mir zurecht aber auch die Augen öffnen, um den Tatsachen endlich objektiv entgegen zu sehen. Für all das und seine liebenswerte Art bin ich ihm wahnsinnig dankbar.

Es gibt hier noch viele andere Therapeuten... Einige lernt man durch die Indikativ-Gruppen kennen, andere trifft man einfach mal so auf dem Klinikgelände. Aber alle immer freundlich und mit einem Lächeln im Gesicht. Unsere Oberärztin, eine sehr warmherzige und einfühlsame junge Frau, die mir mit ihren Ratschlägen und ihrem offenen Ohr immer sehr geholfen hat. Und bei allgemein-medizinischen Wehwehchen war meine Bezugsärztin immer gerne für mich da. Unser Schwesternzimmer hier ist eigentlich dauerhaft besetzt. Auch dort, alle immer lieb und nett. An den Krankenpfleger werde ich wohl noch lange zurückdenken müssen. Und an meine nicht enden wollenden Lachanfälle wird auch er sich vielleicht später noch einmal erinnern. Eine Mitpatientin war in den meisten Fällen allerdings nicht ganz unschuldig an der Situationskomik. Irgendwann fragte ich den Pfleger mal, warum er mir denn nicht direkt sagt, dass er mich gerne öfter sehen würde...? Dann müsste er mich nicht ständig zum Pusten markieren. Denn eine Zeit musste ich, aus welchem Grund auch immer, gefühlt, nach jedem noch so kleinen Ausgang pusten.  Naja... geschadet hat es nicht und mir hätten sonst etliche sooo lustige Momente gefehlt.

Wenn Du mich fragst, wie ich das alles hier beschreiben würde.... Nun ja... Wie ein kleines Dorf. Mit einem Haupthaus als Gemeindezentrum, mit einer sehr netten Verwaltung, guter Verpflegung und ärztlicher Versorgung. Apropos Verpflegung... über das Essen kann man sich hier absolut nicht beklagen. Und die netten Damen und Herren hinter der Ausgabe waren immer für einen Spaß zu haben.

Damit man trotz des regelmäßigen Essens und den viel zu vielen Naschis trotzdem in Form bleibt, sorgt hier die Physio. Ein perfektes Rund-Um-Paket.  Alle Physiotherapeutinnen haben es drauf, mit viel Engagement, Humor und Freundlichkeit den richtigen Ausgleich zwischen An- und Entspannung zu schaffen. Kaum zu glauben, aber ich habe hier tatsächlich meine Begeisterung zum Sport entdeckt. Ich... für die das Wort "Sport" wirklich ein Fremdwort war. Danke dafür. Ich hoffe es hält an :)

Auf unserem Gelände befindet sich noch ein wunderschöner Blumen-, Kräuter- und Probiergarten, den die Gartentherapeutin mit unschlagbarer, liebevoller Hingabe hegt und pflegt. Mit gleicher Hingabe kümmert sie sich aber auch um uns Patienten.

Auch die Kreativität kommt hier nicht zu kurz. In der Ergotherapie mit den Ergotherapeutenteam machte ich Bekanntschaft mit dem, mir bis dahin unbekannten "Herrn Brenn-Peter". Ein heißer Typ, mit dem ich sehr viel schöne Zeit verbrachte.

Neben den netten Herren von der Haustechnik, gibt es hier noch die "fleißigen Bienchen" der Hauswirtschaft. Hier durfte ich eine liebe Arbeitstherapeutin als meine Chefin der Cafeteria mit ihrer humorvollen und mütterlichen Art kennen lernen. Ja... Die Cafeteria... Zentraler Treffpunkt für alle Patienten. Die Arbeit dort im Rahmen de Arbeitstherapie hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Aber auch wenn ich nicht arbeiten musste, war ich dort eigentlich immer zu finden.

Meine ersten gemeinsamen Dienste mit C. und K., und später dann mit N. und K. werde ich so schnell nicht vergessen. Ich wusste gar nicht, dass Arbeiten so lustig sein kann!!! Überhaupt habe ich mit ganz vielen lieben Patienten dort zahlreiche wunderschöne Abende verbracht. Ich möchte behaupten, dass ich in vergangener Zeit noch nie so viel gelacht habe, wie hier. Und das alles ganz OHNE Alkohol. Nie hätte ich mir vor noch einiger Zeit vorstellen können, dass das überhaupt möglich ist. Auf der anderen Seite bin ich aber auch genauso dankbar für die nachdenklichen, tiefgründigen und manchmal auch sehr ernsten Gespräche, die ich hier führen durfte. Auch wenn ich hier doch meistens vielleicht alles andere, als ernst wirkte, habe ich den "Ernst der Lage" nie aus den Augen verloren. Ich habe unglaublich viel gelernt. Über das Leben, über mich und auch, dass ein Spiegeltrinker NICHT alleine vor einem Spiegel trinkt! (kleiner Insider) :)

Und ich durfte mit Hilfe des gesamten Klinik-Teams und meinen lieben Mitpatienten erfahren, dass das, was ich für unmöglich hielt, doch wieder möglich ist. Nämlich: Liebe, Lebensfreude und Glück zu empfinden!                           

Dafür vielen, vielen Dank an meine Gruppe 2, die wir fast schon liebevoll als unsere "kleine Familie" bezeichneten.

Vielen Dank an C., der mich hiernach wahrscheinlich noch etwas länger ertragen muss :)                                              

Und danke an alle, die mich hier begleitet haben und jeden Tag zu etwas Besonderem gemacht haben.

Vielen Dank an meinen Einzeltherapeuten und das gesamte Klinik-Team.

Jeder einzelne hier macht wirklich einen super Job! Egal ob Klinikleitung oder das freundliche Reinigungspersonal. Denn wie heißt es so schön?

"Eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied!"  

Einen ganz besonderen Dank möchte ich noch an meine Tochter M. aussprechen, die mir mit ihren gerade mal 13 Jahren immer beiseite und hinter mir stand und immer noch steht. Und die für ihr Alter oftmals so schlau und stark war, wie ich es hätte sein sollen. Gleiches gilt für meine bereits erwachsenen Töchter, L. und M..

Und zum Abschluss, 1000 Dank an meine großartigen Eltern, die mich immer in allem unterstützt haben und dies immer noch tun. Die mich nie verurteilt oder fallen lassen haben. Sondern mich mit viel Liebe wiederaufgebaut und auf den richtigen Weg gebracht haben....

Danke euch allen!!!

 

 

       

 

                    

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