Vier Monate Therapie im Hansenbarg gehen langsam zu Ende....

Eine Abschiedsrede von B. aus dem Herbst 2023

Zunächst einmal bin ich grundsätzlich dankbar dafür, dass ich in einem Land mit solidarischer gesetzlicher Krankenversicherung lebe, in dem ich die Möglichkeit habe, eine lange Reha-Maßnahme zu machen, trotz begrenzter eigener finanzieller Möglichkeiten.

Im Mai, als ich ankam, war ich einfach fertig mit Allem. Ich stieß in allen Lebensbereichen an Grenzen mit meinen Gefühlsgewohnheiten, Gedankengewohnheiten, Erlebnisgewohnheiten und Bewertungsgewohnheiten. Zudem war ich schwer depressiv, erstarrt und verlangsamt im Denken, erstarrt und schleichend im Gehen…manche erinnerte ich dabei an Mr. Bean, einfach mit Allem überfordert.

Dank der medikamentösen Neueinstellung, dank der ausführlichen Diagnostik, die ein Stück Klarheit in manchen Bereichen brachte, und dank der unterschiedlichen Einzel- und Gruppentherapien, indikativen Gruppen, dank Mannschaftssport, anderen Sporttherapien, Einzeltraining und abendlichem Sport mit Mitpatienten geht es mir heute etwas besser. Mir ist zwar immer noch alles zu viel, aber mir ist insgesamt alles etwas weniger zu viel als noch Ende Mai.

Die Funktion des Alkohols habe ich in den letzten Monaten besser verstanden. Wenn die posttraumatischen Flash-backs übermannen und ich das Gefühl habe, wieder ein Junge zu sein und das ganze Elend nochmal zu erleben, dämpfst und löst du -Alkohol- kurzfristig die damit verbundene extreme innere Anspannung sowie die damit verbundenen Ängste und manchmal auch Todesängste. Deine entängstigende und anspannungslösende Wirkung finde ich himmlisch, und ich vermisse sie jeden Tag, von morgens bis abends und auch nachts, wenn ich aufwache. Ich finde es so unglaublich schade, dass du nur kurzfristig unterstützt, langfristig aber der Psyche und dem Körper schadest…sonst wärst du für mich eine gern  gesehene Zusatzmedikation in Kombination mit einem wunderbaren Genussmittel, das/die ich regelmäßig einsetzen würde.

Ich vermisse die Weinverkostungen in meinem Minijob und das kühle Blonde als Erfrischung im Sommer. Ja, ich bin ehrlich…ich vermisse sowohl deine psychische Wirkung als auch den Genuss, den du mir geschenkt hast.

Wie es nach der Behandlung mit dir weiter geht oder auch nicht, vermag ich jetzt nicht zu sagen. Ich hüte mich davor, irgendwelche vollmundigen Abstinenzprognosen abzugeben, weil ich noch gar nicht wissen kann, wie sich die Dinge und mein Leben da draußen in der Welt außerhalb des geschützten Hansenbargs entwickeln werden…und was substanziell von der Therapie hier bleiben wird.

Aber ich kann mit Stolz darauf blicken, dass ich mehrere Monate am Stück abstinent von dir war, obwohl ich mir am Anfang des Entzuges im Mai nicht mal zwei Tage Abstinenz zugetraut hatte.

Ich danke dem gesamten Hansenbarg-Team für die Unterstützung, allen voran dem Therapeuten, bei dem ich in der indikativen Gruppe Stabilisierungstechniken viel über Trauma und Traumafolgestörungen gelernt habe. Und mich dadurch etwas besser verstehen kann. Ich danke auch meinen Therapeutinnen für die Einzel- und Gruppentherapien. Mein Dank gilt auch der Physio, den Arbeitstherapeutinnen sowie dem Küchen- und Reinigungsteam…ganz besonders geht Dank an meine Kollegen aus der AT Cafeteria. Die Mitpatienten zusammen mit den AT-Kollegen mit Kaffee, Kaltgetränken, Süßem, Eis und Knabbereien ein bisschen im harten Therapie-Alltag verwöhnen zu können, war für mich ein kleines Stück Lebensfreude. Auch das Amt des Gruppensprechers war eine große und gute Herausforderung für mich. Sichtbar und hörbar in der Vollversammlung, der Gruppenratssitzung und der internen Gruppe zu sein, und allgemein als Ansprechpartner akzeptiert zu werden, war eine gute Übung und Weiterentwicklung. Dafür danke ich allen  Gruppenmitgliedern der Gruppe 5, denen die noch hier sind und auch all denen, die inzwischen entlassen wurden. Ich danke auch vielen Mitpatienten außerhalb der Gruppe 5 für viele gute Gespräche auf der Terrasse der Cafeteria und der Wertschätzung, die mir entgegengebracht wurde. Ich wünsche jedem Einzelnen von Euch, dass ihr einen individuellen Weg findet, der für euch realistisch und gangbar ist, und der die psychischen Belastungen und die Sucht ein wenig verblassen lässt. Ich bin nicht naiv, es bleibt schwierig, aber ein bisschen weniger schwierig ist ein realistischer Schritt…hoffe ich, für jeden.

Und so bleibt mir noch allen hier Anwesenden von Herzen ein schönes Wochenende, alles Gute für die Zukunft und viel Kraft für den beschwerlichen Weg zu wünschen.

In liebevollem Respekt, euer B.

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