Eine Reise
Abschiedsrede aus 2024
Als ich zum 2. Mal im Hansenbarg eintraf, war ich erstmal erleichtert es endlich geschafft zu haben, denn die zuvor liegenden 3 Jahren verliefen völlig anders als geplant.
Eigentlich hätte ich schon gut 24 Monate vorher hier eintreffen müssen. Vor allem im Sommer war der Plan und nicht im kalten Schmuddelwetter… aber durch die Diagnose Krebs zweier Angehöriger übernahm ich die Pflege meiner Oma… Zusammen mit Pflegedienst und Palliativ Team bemühten wir uns, um das bestmögliche zu gestalten.
Das war gerade in den letzten 8 Wochen alles andere als einfach. Ich war dann 24 Std vor Ort. Was das bedeutet, können einige sich bestimmt vorstellen.
Zuvor schon belastet mit Alkohol, Depressionen, Verlust von Arbeit, dem Führerschein, meinem geliebten Auto und so weiter… übernahm ich mich mal wieder und ging abermals über meine Grenzen hinweg. Das hatte zur Folge, dass ich im Anschluss völlig neben der Spur, mal wieder ordentlich gesoffen habe.
Die PKL in Lüneburg schrieb meinen Aufnahmebericht inzwischen auswendig. 22 x allein in LG und diverse Entgiftungen in verschiedenen Krankenhäusern seit 2010, so dass ich stand heute mehr als 40 Entgiftungen und mit dem kommenden Dienstag meine 4. Langzeitentwöhnung beende.
(scheinbar ein hoffnungsloser Fall?) Ich hörte Stimmen, die sagten (also echte Stimmen), was unterhältst du dich denn mit dem …? So viele Entgiftungen… der bekommt eh nix mehr auf die Kette, was kann er dir denn noch Wichtiges erzählen…? oder ich weiß schon wie das funktioniert. Einfach aufhören, muss es nur wollen. Wenn das eine Antwort bei „wer wird Millionär“ gewesen wäre, wäre in diesem Fall vermutlich trotz 4 Joker, bei 50 € Schluss gewesen. Aber mal ehrlich: Am Anfang meiner Suchtkarriere habe ich das eine oder andere Mal wohl ähnlich gedacht…
Aber wir alle wissen, dass es um so viel mehr geht…
Naja, … die Frage ist schon erlaubt: Was hat sich denn jetzt verändert? Nach 16 Wochen….
Vielleicht ein Gefühl oder eine Wahrnehmung, … Dankbarkeit, niemals aufgegeben zu haben, dass ich trotz meiner Fehler, Unzulänglichkeiten, Schwächen und einem großen Vogel… ich mir selbst verzeihen darf und kann und dass ich womöglich, … eigentlich … ganz ok bin.
Aber zu der Frage: …
Es wurden z.B. die richtigen Fragen, neue Fragen gestellt und es ergaben sich daraus neu, andere und bessere Antworten im Bezug auf mich, meine Suchtverlauf, Hintergründe, Vergangenheit, Traumata… usw. Kurz gesagt, es ergab sich ein roter Faden für mich, ein möglicher neuer Weg diesen Suchtkreislauf endlich wirklich zu durchbrechen.
Alles ganz schön und ich hatte einen Plan:
Bis zu dem Tag an dem ich dachte, ich könnte ja mal das Antidepressivum reduzieren…. Lief ja bis jetzt alles schön… Einfach mal probieren… Autschn!
Das ging ja mal völlig in die Hose mit den entsprechenden Symptomen, wie keine Lust auf nix, Schlafen ist die beste Medizin usw.
Zum Glück hat sich das wieder eingerenkt… knapp 4 Wochen hat’s gedauert. Also…
Es war nicht nur angenehm hier im Hansenbarg, ich sag es so wie es war. An einigen Tagen hatte ich massive Zweifel, ob ich das durchhalte ohne Rückfall. Aber ich bin stolz, keinen Rückfall erlitten zu haben.
Mit dem Wissen natürlich im Hintergrund, dass ich hier gut aufgehoben war, immer jemand da war, der einem zuhört und mit Rat und Tat zur Seite stand.
An dieser Stelle natürlich einen riesen Dank an das gesamte Personal und an alle Mitpatienten, mit denen ich wichtige und gute Gespräche haben durfte.
Warum erzähl ich euch das? Seid mutig und bleibt, … denn ganz egal, wie die Dinge laufen…
Es zählt nicht, wie oft du hinfällst, es zählt nur das DU immer einmal mehr aufstehst!
Es lohnt sich immer!
Vielen Dank
(und… welcher Verrückte hat das Klavier hier her geschoben…)